Große Daten

Deutschland kann Krise – aber auch KI?

Datenmanagement: Kontrolle zurückgewinnen oder von der Digitalisierung überrollt werden

Mehr als 100 Sensoren zeichnen laut McKinsey im Connected Car jede Sekunde Daten auf. Das Beispiel zeigt, wie schnell diese Revolution führende Branchen in Deutschland erreicht. Und es liefert erste Fakten, wie groß die Flut der Daten in dieser Welt der „Internet of Things“ (IoT) sein wird: Die mehr als 100 Sensoren sollen in jedem Auto 25 GByte generieren – pro Stunde. Dies geschieht nicht nur bei den Fahrfunktionen des Autos, sondern in vielen Bereichen von Routen über Restaurant suchen bis hin zum Treibstoffkauf.

Aus Risikosicht müssen die IT-Verantwortlichen einige Fragen beantworten. Welche der erfassten Daten sind möglicherweise personenbezogen? Werden für manche der Dienste Kreditkarten oder andere Zahlungsdetails abgefragt? Ist es beispielsweise möglich, Fahrtrouten zu rekonstruieren und daraus ein Bewegungsprofil zu erstellen? Lässt sich errechnen, dass der Fahrer im Schnitt zu schnell unterwegs ist? Wo werden diese Daten gesammelt, ausgewertet?

IT-Verantwortliche anderer Branchen können aus dem Beispiel gut lernen, was auf sie zukommt im Rahmen ihrer Digitalisierungsstrategien. Jede Firma, vom kleinen Startup über den Mittelstand bis hin zum Konzern, will schließlich besser verstehen, wann und warum ihr Produkt erste Macken zeigt und wie der Kunde es in der echten Welt nutzt. Am Ende sollen ein zufriedener Anwender, mehr Marktanteile und Umsatz auf der Habenseite stehen.

Da kommt eine große Datenwelle auf die IT zu. Dabei setzt das normale Rauschen des Datenwachstums die IT bereits unter Druck. Im Schnitt nimmt die Menge der Daten in jeder Firma ohne IoT oder Digitalisierung durchschnittlich um 49 Prozent zu, wie der Data Genomics Index von Veritas auf Basis anonymisierter Kundendaten errechnete. 31 Milliarden Files und 20 Millionen GBytes an echten Kundendaten wurden hierbei untersucht.

Zwei Drittel der Unternehmen erwarten, dass sich die Datenmengen bis 2025 verfünffachen

Gleichwohl sind fast drei Viertel der Unternehmen in Deutschland überzeugt davon, dass sie die Flut von Daten erfolgreich meistern werden.

Internet of Things und die umfassende Vernetzung aller Maschinen, Gadgets und Geräte über das Internet sorgen für exponentielles Datenwachstum. Das wiederum bringt Chancen und Herausforderungen für die Unternehmen mit sich.

Die überwiegende Mehrheit der Unternehmen hält Daten für äußerst oder sehr wertvoll – gleichzeitig befürchtet jedoch eine Mehrheit von 57 Prozent, die Datenmenge werde so schnell anwachsen, dass ihr Unternehmen nicht Schritt halten kann.Zwei Drittel der Unternehmen weltweit erwarten, dass sich allein die Datenmenge bis 2025 nahezu verfünffachen wird (67 Prozent).

Das sind die zentralen Ergebnisse einer Umfrage des Marktforschungsunternehmens True Global Intelligence im Auftrag des amerikanischen Software-Anbieters Splunk unter weltweit 2259 Führungskräften aus Business und IT, darunter Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Niederlande, sowie USA, China und Australien. „Kroker’s Look @ IT“ veröffentlicht die Ergebnisse der Studie heute exklusiv vorab.

Führungskräfte erkennen die große Chance dieses explosiven Datenwachstums und halten Daten für äußerst oder sogar sehr wertvoll für den Gesamterfolg (81 Prozent), die Innovationskraft (75 Prozent) und die Cybersicherheit (78 Prozent) ihrer Unternehmen.

Dennoch berichten 66 Prozent der Befragten weltweit, dass mindestens die Hälfte ihrer Unternehmensdaten Dark Data seien, also unerschlossene, ungenutzte oder völlig unbekannte Daten. Das ist ein 10-prozentiger Anstieg im Vergleich zum Vorjahr.

Die Studienergebnisse aus Deutschland zeigen, dass Unternehmen hierzulande im Jahr 2025 mit einem 4,5-fachen Anstieg der Datenmenge im Vergleich zu heute rechnen. Über die Hälfte der 250 Befragten (44 Prozent Mittelstand, 56 Prozent Großunternehmen) gibt an, dass das Datenvolumen bereits jetzt so schnell ansteigt, dass ihr Unternehmen nicht mehr mit der Entwicklung Schritt halten kann. Die Unternehmen spüren die Datenwelle, bereiten sich jedoch schon aktiv darauf vor oder sind bereits vorbereitet.

Weitere Ergebnisse aus Deutschland:

Positive Prognose: Neun von zehn deutschen Befragten erklären, dass ihre Unternehmen sich bereits gezielt zukunftssicher aufstellen, um für die kommende Datenwelle gewappnet zu sein (86 Prozent). Nur jeder fünfte deutsche Befragte gibt an, dass es in ihrem Unternehmen eine große Verunsicherung diesbezüglich gibt (19 Prozent). Vier von zehn verspüren hingegen keinerlei oder nur eine geringe Verunsicherung (41 Prozent). Es zeigt sich eine generell positive Grundeinstellung: Fast drei Viertel der Unternehmen sind überzeugt davon, dass sie die Flut von Daten erfolgreich meistern werden. Nur die Befragten aus China sind mit 96 Prozent noch positiver eingestellt.

Neun von zehn deutschen Befragten erklären, dass ihre Unternehmen sich bereits gezielt zukunftssicher aufstellen, um für die kommende Datenwelle gewappnet zu sein (86 Prozent). Nur jeder fünfte deutsche Befragte gibt an, dass es in ihrem Unternehmen eine große Verunsicherung diesbezüglich gibt (19 Prozent). Vier von zehn verspüren hingegen keinerlei oder nur eine geringe Verunsicherung (41 Prozent). Es zeigt sich eine generell positive Grundeinstellung: Fast drei Viertel der Unternehmen sind überzeugt davon, dass sie die Flut von Daten erfolgreich meistern werden. Nur die Befragten aus China sind mit 96 Prozent noch positiver eingestellt. Dark Data als Herausforderung und Chance zugleich: Mehr als jeder zweite deutsche Befragten schätzt, dass es sich bei mindestens der Hälfte ihrer Unternehmensdaten um Dark Data handelt (55 Prozent). Die Mehrheit der Befragten sieht die Gründe dafür in der Technologie oder den technischen Prozessen – beides Gründe, die durch ein optimiertes Datenmanagement und neue Softwarelösungen behoben werden könnten. Darüber hinaus begreifen 71 Prozent der Befragten die Datenwelle auch als Chance, sich proaktiv mit Dark Data in ihrem Unternehmen auseinanderzusetzen. 62 Prozent der deutschen Unternehmen gehen dieses Problem bereits an: Sie versuchen, der Datenwelle einen Schritt voraus zu sein, indem sie Dark Data identifizieren und nutzbar machen.

Mehr als jeder zweite deutsche Befragten schätzt, dass es sich bei mindestens der Hälfte ihrer Unternehmensdaten um Dark Data handelt (55 Prozent). Die Mehrheit der Befragten sieht die Gründe dafür in der Technologie oder den technischen Prozessen – beides Gründe, die durch ein optimiertes Datenmanagement und neue Softwarelösungen behoben werden könnten. Darüber hinaus begreifen 71 Prozent der Befragten die Datenwelle auch als Chance, sich proaktiv mit Dark Data in ihrem Unternehmen auseinanderzusetzen. 62 Prozent der deutschen Unternehmen gehen dieses Problem bereits an: Sie versuchen, der Datenwelle einen Schritt voraus zu sein, indem sie Dark Data identifizieren und nutzbar machen. Hindernisse für wichtige Technologien: Die sechs wichtigen Zukunftstechnologien KI, 5G, Blockchain, IoT, AR/VR, Edge Computing stoßen in Deutschland hauptsächlich auf strukturelle Hindernisse. Am häufigsten werden folgende genannt: Mangel an Fachpersonal Schwierigkeiten beim Identifizieren von Dark Data Schwierigkeiten bei der Verwaltung und Nutzung von Daten Mangelndes Technologieverständnis

Die sechs wichtigen Zukunftstechnologien KI, 5G, Blockchain, IoT, AR/VR, Edge Computing stoßen in Deutschland hauptsächlich auf strukturelle Hindernisse. Am häufigsten werden folgende genannt:

Weitere Zahlen & Fakten aus der Studie „Das Datenzeitalter hat begonnen“ in der folgenden Infografik – zum Vergrößern zwei Mal anklicken:

Quelle: Splunk

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Deutschland kann Krise – aber auch KI?

In den internationalen Medien drehten sich die Schlagzeilen zur Bundestagswahl am 26. September 2021 bisher vor allem um die Kandidaten, die Parteien, das Hochwasser im Juli, die Afghanistan-Krise und die anhaltende Pandemie. Die offene Frage für Deutschland ist jedoch, ob es in der Lage ist, seine wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und sein hohes Innovationsniveau aufrechtzuerhalten, um seinen Status als Exportweltmeister und seinen hohen Lebensstandard zu wahren.

Das Fehlen einer digitalen Infrastruktur als Basis für die Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI) ist in Deutschland schon lange ein Problem. Die Pandemie war ein weiterer Weckruf, der erneut den historischen Fehler der Deutschen Telekom verdeutlichte, bei Breitbandverbindungen auf veraltete Kupferkabel zu setzen. Weder die Arbeit im Homeoffice noch der Unterricht am Bildschirm zu Hause verliefen reibungslos in dem Land, das bei der Digitalisierung im Mittelfeld rangiert und gleichzeitig der weltweit drittgrößte Exporteur in die USA und nach China ist.

Vom Mittelstand, den so genannten Hidden Champions in Deutschland, die 60 Prozent der Arbeitsplätze stellen, haben nur etwa sechs Prozent KI-Strategien umgesetzt, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Trotz der Tech-Hubs in Berlin, im Cyber Valley in Baden-Württemberg sowie in Hamburg und München bleibt die Zahl der Start-ups, ein wichtiger Indikator für die digitale Wirtschaft, niedrig.

Verschläft Deutschland die Datenwelle?

KI geht über eine digitale Infrastruktur hinaus und hat einzigartige Merkmale. Im Kern geht es bei der KI um Daten und wie Maschinen durch Algorithmen aus Daten lernen. In der Wirtschaft und in Unternehmen beeinflussen Datenfluss und -nutzung alle Transaktionen und damit die Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit. Start-ups bringen Neues hervor: Ihre technischen Fähigkeiten sind der Schlüssel, um alle Potenziale der KI nutzen zu können.

Die deutsche und die EU-Politik sind nicht richtig auf die Speicherung, den Austausch und die Nutzung von Daten abgestimmt – und damit auch nicht auf die Entwicklung von Algorithmen. Sowohl das von der EU vorgeschlagene Gesetz über digitale Märkte als auch der Rechtsakt zur KI zielen darauf ab, große Unternehmen in Europa durch digitale Schutzmaßnahmen und Regulierungen in Schwung zu bringen oder zu fördern. Datenschutzregelungen sind zwar notwendig und wichtig aus Sicht der Bürgerrechte, aber ihre Auswirkungen auf die Innovationstätigkeit der Unternehmen wurde nicht untersucht. So ist beispielsweise der rechtliche Status von Datenströmen, etwa für Simulationen oder maschinelles Lernen, unklar und behindert derzeit noch die Entwicklung von Algorithmen.

Die Verwirrung rund um den Datenschutz hat in Deutschland auch die Einführung von Gesundheits-Apps für die ärztliche Versorgung und für Apotheken vereitelt. Die von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) unterzeichnete Initiative zur Entwicklung einer Gaia-X-Plattform für die Speicherung von Daten auf einer europäischen Plattform – und eben nicht in der iCloud oder bei Alibaba – missversteht die Sorgen der deutschen Industrie in Bezug auf Cyberspionage. Bei diesen Bedenken geht es eher um Hacker und Technologien als um digitalen Nationalismus in Form einer eigenen Plattform. Führungskräfte aus der Industrie und Wissenschaftler, die ich interviewt habe, kritisieren Altmaier dafür, dass er mit seiner Politik weder die wahren Probleme noch die Chancen berücksichtigt.

Mehr Cyber Valley wagen

Nichtsdestotrotz sind in der deutschen KI-Landschaft große Veränderungen im Gange, und dazu gehören auch politische Maßnahmen auf der Mikroebene. Diese Veränderungen versprechen einen größeren Schub als die beschriebene Leuchtturm-Politik. Der Charakter der deutschen KI-Landschaft könnte von den historisch wettbewerbsfähigen Industrien geprägt werden und davon, wie sie in der Vergangenheit im Bereich Forschung und Entwicklung und bei Innovation erfolgreich waren. Zu diesen Anstrengungen gehören die schnelle Aufholjagd in der Automobilindustrie bei der Entwicklung von Elektroautos und Apps oder die Entwicklung von KI zur Effizienzsteigerung in den Wertschöpfungsprozessen der Chemie- und Pharmaindustrie.

In Deutschland mangelt es an Wissenschaftlern von Weltrang in den Bereichen Datenwissenschaft und Mathematik. Das gilt aber nicht für die anwendungsorientierten Bereiche. Das Cyber Valley in Baden-Württemberg umfasst zwei Universitäten, ein Max-Planck-Institut, zwei Fraunhofer-Institute und eine Vielzahl von Unternehmen, an denen auch nicht-deutsche Firmen wie Amazon und Google beteiligt sind. Das Cyber Valley verkörpert das deutsche Pendant zum Silicon Valley in Kalifornien, ist aber in seiner Mischung aus öffentlichen und privaten Akteuren und Forschungseinrichtungen einzigartig für Deutschland. Darin kann seine Stärke liegen, um die Innovationen und die sie tragenden Institutionen gleichzeitig weiterzuentwickeln.

Deutschland erlebt etwa alle 20 bis 30 Jahre kollektive wirtschaftliche Angstgefühle, geht aber immer wieder gestärkt aus diesen Krisen hervor. Jedes Mal hat die soziale Marktwirtschaft Schocks abgefedert, Arbeitnehmer haben sich – mehr oder weniger – auf neue Technologien eingelassen und mutige politische Maßnahmen haben die deutschen Exporte gerettet.

Deutsche Lösungen fürs Digitalzeitalter

Die KI-Krise ist anders. Diesmal könnte die Politik mit falschen Anreizen Fehlentwicklungen wie das nur langsame Aufholen des Mittelstands bei der KI und die geringe Zahl an Start-ups sein. Doch das alte Deutschland der verarbeitenden Industrie muss sich in das neue Deutschland der Industrie 4.0 verwandeln. Statt kühner Maßnahmen, die für positive Schlagzeilen in Berlin oder Brüssel sorgen, wäre der Weg nach vorn folgender: klare Datengesetze verabschieden, Technologiecluster fördern und Anreize für große und kleine Unternehmen schaffen, maschinelles Lernen zu implementieren.

Wie zuvor wird der Erfolg Deutschlands darin liegen, deutsche Lösungen zu finden. Die derzeit unübersichtliche digitale Landschaft aus Datenschutz, Abschottungsmaßnahmen und Leuchtturm-Projekten wird den Anforderungen des industriellen Deutschlands im digitalen Zeitalter nicht gerecht. Dankenswerterweise haben die deutsche Gesellschaft und die deutsche Wirtschaft die Zeichen der Zeit erkannt und sind sich bewusst, dass sie Zukunftschancen nicht verpassen dürfen.

Dieser Artikel erschien zuerst in Der Tagesspiegel.