Nachtragendes zur "Digitalisierung der Kirche"
Andreas Mertin
Notiz I: Selbsternannte Internetpioniere
Wann ist man eigentlich ein Internetpionier? Die Antwort auf diese Frage hängt von dem Kosmos ab, in dem man lebt. Und natürlich: was man unter Pionier versteht.
Pioniere sind eine Truppengattung eines Heeres. Auftrag der Pioniertruppe ist die Förderung der Bewegung der eigenen Truppe, die Hemmung der Bewegungen des Gegners und die Erhöhung der Überlebensfähigkeit der eigenen Truppe. Dazu ist die Pioniertruppe mit bautechnischen und infrastrukturellen Hilfsmitteln ausgerüstet und für deren Bedienung und Einsatz entsprechend ausgebildet.
Unter einem Pionier (Lehnwort aus mfrz., frz. pionnier = Schanzgräber, fig. Wegbereiter, Vorkämpfer) versteht man im Bereich Forschung einen Menschen, der auf einem bestimmten Gebiet eine Vorreiterrolle einnimmt, der etwas Bahnbrechendes geleistet und damit weiteren wissenschaftlichen Arbeiten und Erkenntnissen den Weg geebnet hat.
Im Kosmos der Kirche ist man nie so sicher, welcher Pionierbegriff gerade zur Geltung kommt. Der der feindlichen Eroberung eines fremden Gebietes oder der vorausgreifenden Erkundung eines allgemein unbekannten Bereichs.
Jedenfalls stieß ich kürzlich auf einen Text eines Pfarrers, der sich als Internetpionier bezeichnete, weil er seit 2006 ein Blog im Internet betreibt. So kann man das bzw. sich sehen. Eine Vorreiterrolle im Sinne der zweiten Beschreibung ist das nun freilich nicht, eher schon die strategische Besetzung im Sinne der ersten Beschreibung. Das Internet ist für Kirchenvertreter ein fremdes, ja feindliches Gebiet, das zunächst erkundet und dann besetzt oder geprägt werden muss.
Da ich mich persönlich bereits als einen Vertreter der zweiten Internet-Generation begreife, weil ich publizistisch erst 1996 in das Geschäft eingestiegen bin[1] also etwa drei Jahre nach der Geburt des WWW -, frage ich mich, inwiefern jemand, der zehn Jahre später mit dem Internet begonnen hat, ein Pionier sein kann. Es geht gar nicht um Eitelkeiten, sondern darum, den richtigen historischen Rahmen zu bestimmen. In meinem Buch zum Thema „Internet im Religionsunterricht“[2] konnte ich bereits 2000 einen kompletten Lehrplan mithilfe des Internets abarbeiten und dabei auch auf eine Fülle kirchlicher Adressen zurückgreifen. Wir alle haben das Rad nicht erfunden, aber man sollte auch nicht so tun als ob. Die wahren Pioniere des Internet datieren in die 60er, 70er und 80er Jahre des 20. Jahrhunderts.[3] Als Aktiver des 21. Jahrhunderts gehört man bereits zur dritten oder vierten Generation. Wenn also jetzt die EKD ins Zeitalter des Digitalen aufbricht, dann zeigt das, das sie ein Vierteljahrhundert vor sich hingedämmert hat und ihre Aufgaben nicht erledigt hat. „Whatever is, is wrong“ so könnte man in Umkehrung des gängigen Alexander Pope Zitats die bisherigen Aktivitäten der EKD zum Internet und zur Digitalisierung bezeichnen.
Notiz II: Kirche wird digital (2003 2009 2018)
2003 - Crossbot
Erinnert sich noch jemand an „crossbot“, jenen von Hybris getränkten digitalen Aufbruchswahn der Evangelischen Kirche im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts? 2003 dachte die evangelische Kirche, sie müsse den populären Suchmaschinen Konkurrenz machen, weil bei der Eingabe des Stichworts Abendmahl zuerst ein Berliner Restaurant und nicht die lutherische Abendmahlslehre angezeigt wurde.[4] Vielleicht darf man das noch mal in all seiner brachial-schönen Hässlichkeit in Erinnerung bringen.
Wer damals noch nicht zu den Internetpionieren gehörte, kann das unter dieser Adresse [Link] nachholen.
Unter der m.E. blasphemischen Berufung auf Prediger 3,1 wurde das Projekt 2010 eingestellt. Dass crossbot scheitern musste, wusste jeder, der sich auch nur ein wenig mit dem Internet auskannte. Aber eben die EKD nicht. Und vielleicht ruft man (freilich auf eigene Gefahr!) heute einmal die Seite von auf. Wenn die EKD, die doch sicher über Hunderte von Domain-Adressen verfügt, wenigstens die Adressen ihrer gescheiterten Projekte nicht aus der Hand geben würde!
Crossbot war erst ein Anfang für all die gescheiterten Versuche, durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit Theologie zu substituieren.[5] Weil ihnen die Theologie flöten gegangen ist, versuchen sie nun, Kommunikation und hier natürlich: digitale Kommunikation zu betreiben.
2009 - Bibel-Rekordversuch
Denken wir an den schier unerträglichen Versuch, 2009 die Bibel auf Twitter-Niveau zu bringen.
Der Bibel-Rekordversuch ist gelungen!
Dank Ihrer Unterstützung ist es gelungen. Vom 20. Mai, 18 h, bis zum 30. Mai haben viele fleißige Leserinnen und Leser dazu beigetragen, dass wir Ihnen nun die komplette Bibel in Ihren Worten präsentieren können. Vielen Dank dafür.
Ich habe damals unter dem Titel „Pacman-Christentum“ geschrieben: „Auf der anderen Seite sehen wir zeitgleich [scil. zur iranischen Aufstandsbewegung], wie die Evangelische Kirche in Deutschland dasselbe technische Medium zur Verdummung und zur Formierung des Bestehenden einsetzt.“[6] Aber auch dieses Projekt kann man selbst wenn die Betreiber das anders wahrnehmen -, als krachend gescheitert betrachten. Heute ist es nicht einmal mehr aufrufbar.[7]
2018 Kirchenfinder
Aber nun ist alles anders, denn 2018 ist ja für die EKD das Jahr der Digitalisierung. Wer jedoch Ende 2018 die sinnbefreiten Twittereien unter dem Hashtag #DigitaleKirche zum Medientag in Hannover gelesen hat, erkennt, dass sich seit 2003 nichts geändert hat. Wenn man sie wenigstens als Nerds belächeln könnte, aber sie sind nicht einmal das. Denn Nerds sind durchaus religionsaffin, wie man populärkulturell an der Serie „Big Bang Theory“ sehen kann. Deren Religionsgespräche sind gehaltvoller als das, was unter #DigitaleKirche getwittert wird.
Leute, nehmt Euch doch mal zusammen und bedenkt, was jede Medienkompetenzausbildung in der Schule Jugendlichen vermittelt, nämlich dass bei Twitter Millionen mitlesen können und Euch danach beurteilen. Und dann überlegt doch 10 Sekunden, bevor ihr in die Tasten haut. Man kann auch mit wenigen Zeichen Sinnvolles schreiben. Oder zumindest das Niveau von @realDonaldTrump erreichen.
Angesichts der bisherigen Desaster der Evangelischen Kirche im Umgang mit der Digitalisierung wäre es sinnvoll, nicht nur blind vorwärts zu stürmen, sondern auch einmal einzuhalten und zu überlegen, was bisher gescheitert ist. Und warum.
Der nun mit großen Tönen auf der EKD-Synode angekündigte „Kirchenfinder“ ist auch so ein Trashprojekt. Er wird scheitern. Warum sollte ein mit Vernunft begabter Mensch sich diese App aufs Smartphone laden? Wer glaubt ernsthaft, es laufe jemand verzweifelt durch Städte auf der Suche nach der nächsten Kirche und ihren Gottesdienstzeiten? Oder ein Obdachloser mit Smartphone auf der Suche nach dem nächsten Diakonischen Werk?
Wenn ich wissen will, ob in der Stadt Ahlen ein Museum ist, dann gehe ich auf Google, tippe Ahlen und Museum ein und Google zeigt mir alle örtlichen Museen. Wenn ich auf den ersten Museumsnamen klicke, sagt mir Google, was für ein Museum das ist und wie seine Öffnungszeiten und wann seine Stoßzeiten sind. Wenn ich nun meine Heimatstadt und Evangelische Kirche eingebe, dann sagt mir Google nach dem Klicken auf meine Heimatgemeinde, wann die nächsten Veranstaltungen sind. Nur bei Öffnungszeiten oder meinetwegen Gottesdienstzeiten steht nichts, weil meine Kirchengemeinde sich nicht mit Google in Verbindung gesetzt hat, um diese Zeiten einzutragen. Könnte sie aber. Warum sollte also eine Gemeinde sich im Kirchenfinder eintragen lassen, wenn sie viel einfacher ein viel größeres Publikum erreichen kann? Nur wegen der angeblichen Corporate Identity, die der Kirchenfinder verspricht? Bullshit.
Ich hatte vor einiger Zeit ein EKD-Vorgängerprojekt des Kirchenfinders auf meinem Smartphone (ich habe schon wieder vergessen wie es hieß, kann es sein, dass es die Kirchen-App war?). Das war eine App, die ich nach 14 Tagen voller Wut wieder gelöscht habe, weil sie nicht nur unzuverlässig und extrem langatmig, sondern auch völlig unpraktikabel war, wie die Nutzerkommentare bis heute zeigen:
Diese App hat weniger Informationen, als sie mir Google bietet dabei verfügt sie doch über Insiderwissen. Wenn die neue Kirchenfinder-App konzipiert wird, sollte sie das exakte Gegenteil der Vorgänger-Version sein. Und die EKD sollte ein anderes Webdesign-Büro beauftragen. Das letzte war ästhetisch ziemlich schlecht. Das Christentum war einst mit den Ästhetiken von Giotto, van Eyck, Masaccio, Pontormo, Michelangelo, Dürer, Grünewald und Caravaggio verbunden wie kann man nur so tief gesunken sein, um aktuell diesen an-ästhetischen Trash auf den Markt zu bringen?
Notiz III: Die Liebe zum Plastik
An-Ästhetik ist ein wichtiges Stichwort im Protestantismus. Man blicke etwa auf die Seiten von evangelisch.de. Das ist geballter Plastik-Müll! Wenn so etwas evangelische Kirche im Netz repräsentieren soll, warum sollte man ihr dann noch angehören? Da legt ja Ikea einen besseren Web-Auftritt hin. Gut, die evangelische Kirche verkauft keine Möbel, aber kann sie nicht einmal darüber nachdenken, welche Bilder für Protestantismus sinnvoll sind und welche nicht? Nun bin ich zugegebenermaßen ein Anhänger des ästhetischen Minimalismus, aber auch barocke Gestaltungen im Internet können Struktur besitzen. Gibt es denn niemanden auf den Funktionärsrängen der EKD, der wenigsten über einen Funken von ästhetischem Gefühl verfügt?
Die Kollegen von katholisch.de oder auch der Jüdischen Allgemeinen zeigen doch, dass es auch anders geht. Und ja, ich meine man müsste die Ästhetik einer kirchlichen Seite von der Theologie her entwickeln. Also nicht von den Trendgestaltungen eines Web-Design-Büros, die spätestens nach drei Jahren überholt sind, weil man ja auch Folgeaufträge haben will, sondern von den elementaren Gedanken der Institution ausgehend. Ich habe dafür keine Patent-Lösung, aber ich sehe, dass die aktuellen Lösungen wenig mit der Geschichte des Protestantismus und der von ihr beeinflussten Kultur zu tun haben. Und das ist bedauerlich. Ich möchte so ein Portal anklicken und spontan sagen: Ja, das ist evangelisch.
Notiz IV: Kirche wird digitaler Oder: Das Grandhotel Abgrund.
Nun also: die Beschlüsse der Synode der EKD 2018 zur Digitalisierung. Sie sind mit Verlaub gesagt eher ein Treppenwitz. Sie gruseln mich. Die Synode scheint de facto wenig über die Digitalisierung der Lebenswelten nachgedacht zu haben. Irgendwelche Internetbeauftragten der Landeskirchen erzeugen bei den Synodalen das diffuse Gefühl, man sei in Sachen Digitalisierung hinter der Zeit zurück und schon wird eine Stabsstelle eingerichtet. Merkt denn niemand auf der Synode, dass das pure Realsatire ist? Denn was ist eigentlich eine Stabsstelle?
Eine Stabsstelle, kurz Stab, ist eine Organisationseinheit, die nur indirekt durch Unterstützung seitens einer oder mehrerer Instanzen zur Lösung einer Aufgabe beiträgt. Damit ist sie ein Element der Aufbauorganisation. Stabsstellen können auf nahezu allen Ebenen der Hierarchie eingerichtet werden.
Die Geschichte der Stabsidee lässt sich weit in die Vergangenheit zurückverfolgen. Etwa zur römisch-katholischen Kirche, deren zentral operierende Kirchenverwaltung in Rom durch Kardinalskollegium und Römische Kurie unterstützt wurde, d. h. die dem Papst als Helfer und Berater in Spezialfragen zur Verfügung standen. König Gustav Adolf von Schweden führte im Dreißigjährigen Krieg erstmals Stabsstellen ein, um die Offiziere seiner Armee von Erkundungs- und Analysetätigkeiten zu entlasten und für die eigentliche Entscheidungsaufgabe freizuhalten.[8]
Gab es in diesem Sinne bis 1993 auch eine Stabsstelle für den Buchdruck in der EKD? Oder für Analoges? Und hatte Martin Luther eine Stabsstelle für Medienpropaganda? Na gut, Lukas Cranach, aber das war irgendwie etwas anderes. Ich finde es faszinierend, wenn eine nun gar nicht so kleine Institution wie die EKD angesichts des personalen Einsatzes der Internetgiganten sagt, jetzt richten wir aber auch mal drei Stellen ein. Soll ich das ernst nehmen? Dann wäre es besser gewesen, überhaupt keine Stelle einzurichten.
Wenn die drei Stellen für Seelsorge oder Bildung eingerichtet worden wären, wäre das Geld sinnvoller ausgegeben worden. Eine Stabsstelle in Sachen Digitalisierung für die 21,5 Millionen evangelischen Christen in Deutschland? Das brauchen wir nicht! Jetzt nicht und auch morgen nicht. Was kommt als Nächstes? Eine Stabsstelle für Netflix-Kommunikation? Wenn man aktuell (16.12.2018) das Organigramm des Kirchenamtes der EKD aufruft,[9] dann zeigt sich ein interessantes Bild: es gibt Hauptabteilungen (4), Abteilungen (8), Referate (56), die Kasse (1) und eine einzige Stabsstelle, nämlich die für Kommunikation. Diese ist selbst wiederum in drei Referate und eine Pressestelle untergliedert und gehört zur Abteilung Leitung des Kirchenamtes der Hauptabteilung I. Die neu einzurichtende Stabsstelle „Digitalisierung“ mit einem Stabsstellenleiter, einer Assistenz und zwei befristeten Projektstellen, sind noch nicht eingezeichnet. Nach der Logik der EKD wird sie wohl unterhalb der bereits vorhandenen Stabsstelle eingerichtet. Sie müsste aber als Stabsstelle dem Ratspräsidenten zugeordnet sein, um die Idee der Digitalisierung der EKD voranzutreiben. [Irgendwie fühle ich mich an die Folge Carpe Diem des Tatortreinigers erinnert.]
Notiz III: Die vernetzten Vielen
Der Kirchenpräsident von Hessen und Nassau, Volker Jung, meinte, als er die Vorlage zur Digitalisierung einbrachte:
"Um digitale Entwicklung wirklich gestalten zu können, braucht es die vernetzten Vielen. Und wer ganz genau hinschaut, erkennt schnell, dass darin auch die Chance liegt, Kirche neu zu beleben."
Letzteres glaube ich nicht. Und ich glaube auch nicht, dass die EKD wirklich die Macht der vernetzten Vielen möchte. Ganz und gar nicht. Sie möchte nur Begrifflichkeiten aus dem medienwissenschaftlichen Bereich beerben, um sich als hip zu erweisen. Als in der EKHN noch unter Volker Jungs Vorgänger ein Pfarrer sich 2004 aufmachte, die Macht der Vielen zu erkunden, und ein Portal unter dem Label ekhn-kritisch gestaltete, da sah die EKHN keine Chance darin, damit die Kirche neu zu beleben. Das Portal wurde dem Pfarrer schlicht verboten. 2005 war Schluss mit dem Projekt. Nur wer zu den positiven vernetzten Vielen gehört, der darf mitmachen.
Nun ist ein Begriff wie „vernetzte Viele“ ja nicht ohne Geschichte auch wenn es eine junge Geschichte ist. Es ist 2015, als der Tübinger Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen diesen Gedanken auf der re:publica15 vorträgt. fasst seinen Impuls so zusammen:
Die fünfte Gewalt besteht aus den vernetzten Vielen des digitalen Zeitalters, die längst zur publizistischen Macht geworden sind. Sie verändern die Agenda des klassischen Journalismus, werden als Medienkritiker und Meinungskorrektiv aktiv, bilden Protestgemeinschaften, beeinflussen über den Umweg der digitalen Öffentlichkeit die Politik von Staaten und Unternehmen.[10]
Medienkritiker Meinungskorrektiv Protestgemeinschaft? Das ist das Letzte, was die EKD möchte, vor allem wenn die Medienkritik, die Korrektur der Meinungen und die Protestgemeinschaften sich kritisch gegen die EKD richten. Und deshalb richtet man Stabsstellen ein, die steuern sollen und das Potential der „vernetzten Vielen“ um den kritischen Impuls kupieren und aufs Positive beschränken wollen. Eigentlich wollten alle Deutschen doch schon immer in die nächste Kirche: also schaffen wir eine Kirchenfinder-App. Die evangelikalen Kollegen sind ja schon mit gutem Beispiel vorangegangen und haben seit der Einführung der kostenlosen ERF-Kirchenfinder-App ihre Gottesdienstbesucherzahlen vervielfacht. Und die Anglikaner erst die laufen bald der katholischen Kirche den Rang ab, nur wegen ihrer App. Und die Amerikaner von schreiben die nicht: Grow your church with ChurchFinder Pro? Da muss doch was dran sein. Ja gut, Werbung ist dran und drin oder man darf bezahlen (25$ im Monat). In solchen Sachen sind die Amerikaner immer gut. Die kostenlose Variante, das finde ich wiederum lustig, garantiert „Low visibility in search results“. Das war schon immer der Traum der Pfarrer. Nur dort, wo Kirche als ganz normales Unternehmen begriffen wird, macht so ein Quatsch Sinn.
Noch einmal zurück zu den vernetzten Vielen. Jung hat ja gemeint, „dass darin auch die Chance liegt, Kirche neu zu beleben“. Darum geht es. Nicht darum, das Evangelium zu verkünden, die Menschen über die eigenen Anliegen zu informieren und ihnen Hilfestellungen zu den eigenen Problemen zu geben. Nein, es geht darum, die Kirche neu zu beleben. Weil sie aktuell tot ist? Oder halbtot? Sie ist weder das eine noch das andere. Sie ist quicklebendig, auch ohne Apps.
Ich finde meine eigene Kirche übrigens dadurch, dass ich von meinem Schreibtisch aus dem Fenster schaue, mich etwas nach links beuge und schon sehe ich den Turm der Markuskirche. Deshalb gehe ich da nicht notwendig hin, aber eine App würde mein Verhalten auch nicht verbessern. Ich vermute, die Mehrzahl der Menschen weiß, wo die nächste Kirche ist.
Notiz IV: Das rasende Gefasel
Projektkoordinator Christian Sterzik lobt „die jungen Leute, die aus eigenem Antrieb für digitales Wachstum sorgen“. Vor kurzem war er noch IT-Leiter in einer Bank, jetzt sieht er in der Kirche aber auch 60-Jährige „die digital mitmachen“.[11]
Danke für die Blumen. Man könnte das als Lernprozess beschreiben, aber ich finde es altersdiskriminierend[12] (und ganz ehrlich: zum Kotzen). Wenn ich als Lehrbeauftragter an der Uni Seminare abhalte, dann treffe ich trotz meiner 60 Jahre auf wenige Studierende, die im Digitalen produktiver wären. Sicher, die Finger der jungen Leute bewegen sich vielleicht schneller über die Tasten des Smartphones, aber das wars dann auch schon. Wenn ich mit den Studierenden über jene Strukturen sprechen würde, die jeder sehen kann, wenn er im Browser strg-U drückt, dann wäre bei 99% der Studierenden nur noch Ratlosigkeit wahrzunehmen.
Die joviale Bemerkung, es gäbe „aber auch 60-Jährige, die digital mitmachen“ kann Sterzik sich deshalb schenken (um es harmlos zu formulieren). Raymond Samuel „Ray“ Tomlinson wurde 1941 geboren, John Perry Barlow und Robert Cailliau 1947, Tim Berners-Lee, Steven Jobs, Bill Gates und Eric Emerson Schmidt 1955. Das ganze Internet wurde letztlich von Leuten entwickelt, die heute älter als 60 sind. Aber viele jener, die das Internet problematisch machen, wie Zuckerberg und seine Kollegen, sind jünger. Wir alle stehen auf den Schultern derer, die vor uns an den digitalen Projekten gearbeitet haben. Man sollte deshalb nicht so überheblich auftreten. Jugendlichkeitswahn ist eine schreckliche Krankheit.
Wäre ich ein über 60-Jähriger Pfarrer, würde ich mit Sterzik nach diesen Äußerungen wohl nicht mehr zusammenarbeiten. Wenn er Männer gelobt hätte, weil sie aus eigenem Antrieb das digitale Wachstum voranbringen und hinzugefügt hätte, es gäbe aber auch Frauen, die digital mitmachen, hätte man sich das nicht gefallen lassen und es als das benannt, was es ist: Sexismus. Aber ältere Menschen so zu charakterisieren ist gerade in der IT-Branche, die ja gerne Menschen ab 55 entlässt, kein Problem. Aber es ist nichts anderes als age discrimination.
Das ist angesichts einer Religion, die seit 3000 Jahren das biblische Alter ihrer zentralen Protagonisten und Protagonistinnen hervorhebt, schon ziemlich irritierend. Und ich sehe nicht einmal, dass aus dem, was jetzt ganz juvenil angedacht wird, substantiell etwas religiös Produktives herauskommt. Wahrscheinlicher ist es, dass am Ende dieses Prozesses die Erfahrungen von 2003 und 2009 nur wiederholt werden. Ansonsten ist etwa der Kirchenfinder eine elendig schlechte Variation der Folge „Anbieterwechsel“ der Serie „Tatortreiniger“. Dort wird man wenigstens noch beraten.
Notiz V: Treuherzige Versicherung
Selbstverständlich sind theologische Reflexionen zu den globalen Digitalisierungsprozessen zwingend notwendig. Dafür wird auch Fachkompetenz benötigt. Aber Kirchenfinder, Suchmaschinen und Bibel-Getwittere sind keinesfalls notwendig und auch kein Ausdruck von Fachkompetenz. Sie wenden keine Not, sie sind bloß ein Spielzeug für die IT-Boys der Szene. Auf solche Ideen kommt man, wenn einem die biblische Theologie, die der Kirche zugrunde liegt, längst egal geworden ist und man nur noch in Kategorien von Öffentlichkeits-Referaten denkt. Das sollten Gemeinden nicht fördern. Und deshalb: fordern sie das Geld zurück. Geben sie es für Jugendarbeit aus, für die Modernisierung der Jugendarbeit. Aber lassen sie sich nicht einreden, dass eine Stabsstelle Digitalisierung irgendetwas verbessern würde. Sie verbreitert den Wasserkopf unserer Kirche mehr nicht.
Anmerkungen
Der Einsatz moderner Technologien ist eines der zentralen Merkmale der Digitalisierung, doch eine erfolgreiche Transformation ist weit mehr als der Einsatz von Automatisierungslösungen oder die Einführung neuer Tools. Sie erfordert eine Unternehmenskultur, die dazu befähigt, die steigenden Erwartungen der Verbraucher zu erfüllen und wettbewerbsfähig zu bleiben. Dem Glashersteller Rastal ist dies gelungen, in dem er auf strategische Partner setzte und ein smartes Trinkglas auf den Markt brachte. Im Webinar zu unserer Studie „Digitale Vorreiter im Mittelstand“ konnten wir mehr über die Erfolgsfaktoren von Rastal erfahren.
Wie kann ein Familienunternehmen neue Kundenerlebnisse schaffen und parallel ein etabliertes Geschäft fortführen? In unserer Studie „Digitale Vorreiter im Mittelstand“ haben wir wegweisende Antworten und Tipps von erfolgreichen Unternehmern gewonnen. Gemeinsam mit dem Berater-Netzwerk Mind Digital und der Rheinischen Fachhochschule Köln (RFH) hat die Convidera Deutschlands digitalste Mittelständer nach ihren Erfolgsgeheimnissen befragt. Bei unserer anschließenden Roadshow gaben uns vier digitale Vorreiter noch konkretere Einblicke.
„Immer auf der Suche nach innovativen Ideen“: Rastal im Expertengespräch
Wie strategische Partnerschaften die digitale Entwicklung und Umsetzung komplexer Innovationen voranbringen können, zeigt die Marke Rastal. Beim dritten virtuellen Treffen per Zoom-Konferenz haben uns CEO Thomas Nieraad und Design-Chef Carsten Kehrein gemeinsam mit ihren strategischen Partnern erzählt, wie sie es geschafft haben, ein ganzheitliches digitales Produkt zu erschaffen, das sowohl Konsumenten, als auch Gastronomie und Getränkehersteller einbindet und ihnen echte Mehrwerte bietet. Mit dem Rastal Smartglass-Konzept sind sie damit aktiv auf die strukturellen Veränderungen der Getränkeindustrie eingegangen, „denn Tradition und Gelerntes sind nur begrenzt erweiterungsfähig“, so Thomas Nieraad.
Doch das Spannungsfeld eines traditionsreichen Familienunternehmens kann die entscheidende Antriebsfeder für Innovationen und neue Geschäftsmodelle sein. Rastals Motto: „Innovation aus Tradition.“
Bereits in dritter Generation wird Rastal von Familienhand geleitet. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Höhr-Grenzhausen im Westerwald hat sich auf Glasveredelung spezialisiert und machte sich mit der Erfindung der Exklusivformen für Brauereien sowie Brand Signature Glas-Designs weltweit einen Namen. Bis zu 250.000 individuell gestaltete Gläser verlassen täglich das Stammwerk, rund 120 Millionen Gläser produziert das Familienunternehmen im Jahr. Die Dinge einfach weiterlaufen lassen, kam für das Unternehmen nicht infrage.
Komplexe Markt- und Wettbewerbsstrukturen erfordern neue Konzepte
Hinter dem Innovationsstreben von Rastal steckt vor allem ein realistischer Blick auf das Marktgeschehen. Mit einem „Commodity“-getriebenen und „B2B2C“-orientierten Geschäftsprofil bewegt sich Rastal in einem komplexen Marktumfeld, in dem ein hoher Preis- und Wettbewerbsdruck herrscht. Kunden sind eher an Kostenoptimierung interessiert als an Innovationen. Zugleich werden die Trends in allen Wirtschafts- und Lebensbereichen von der Digitalisierung getrieben. Mit der Zunahme an Plattformen, neuen Wettbewerbern und technischen Möglichkeiten wuchs auch bei Rastal der Wille, das Geschäftsmodell digitaler aufzustellen.
Am Anfang stand also die Frage: Wie verbindet man das Thema Digitalisierung mit einem Trinkglas und welche Mehrwerte können für den Kunden dadurch entstehen? Die Antwort darauf war das RASTAL Smartglass Konzept.
Smartes Trinkglas als innovative Antwort auf eine digitalisierte Welt
Das Unternehmen hat ein smartes Trinkglas entwickelt, das mittels NFC-Technologie neuartige Kundenerlebnisse schafft und in Echtzeit Konsument, Gastronomie und Getränkehersteller miteinander verbindet. Die Abkürzung NFC steht für "Near Field Communication" – diese Technologie begegnet uns vor allem im eigenen Smartphone oder in der Kreditkarte und ermöglicht einen kontaktlosen Bezahlvorgang.
Mit dem neuartigen Druckverfahren „Rastal Smartprint“ wird ein kleiner Transponder im Glasdekor oder Marken-Aufdruck „versteckt“, der über kurze Distanzen eine Verbindung mit NFC-fähigen Smartphones herstellt. Eine dazugehörige App ermöglicht individuelle Services und Nutzererlebnisse. Von einer digitalen Pfandführung, kontrollierten Selbstbedienung und bargeldlosem Bezahlen bis hin zur Echtzeit-Füllstandsmessung sind die Anwendungsmöglichkeiten extrem vielfältig. Die Konsumenten müssen nur ihr Smartphone an das Glas halten, der Chip wird ausgelesen und sie werden mit einer digitalen Anwendung wie einer Website oder einer App verbunden. Gastronomen und Getränkehersteller haben die Möglichkeit, in Echtzeit mit verschiedenen Zielgruppen zu interagieren und erhalten direktes Kunden- und Kampagnen-Feedback. So können zum Beispiel Promotion-Aktivitäten für die Markenbindung effektiver gesteuert werden. Design-Chef Carsten Kehrein nennt ein konkretes Beispiel für Fußballfans im Stadion: „Es fällt das Tor eines Fußballvereins und man kann in Echtzeit auf dem Glas einen Gutschein für ein Freibier aktivieren.“
Mit strategischen Technologiepartnern zur digitalen Komplettlösung
Die notwendige Dateninfrastruktur sowie die grundlegenden Anforderungen an Datensicherheit gewährleistet Rastal mit Hilfe erfahrener Partner. Für die Echtzeit-Verbindung arbeitet Rastal mit der Telekom zusammen. Diese stellt mit der Telekom Cloud eine Plattform für die digitale Individualisierung jedes Glases bereit. Trotz der offensichtlichen Mehrwerte musste Rastal jedoch feststellen, dass viele B2B-Kunden die notwendige Infrastruktur für die digitalen Services scheuen. Damit das Produkt funktioniert, war eine Komplettlösung nötig, die weit über das Kerngeschäft von Rastal hinausgeht. Deshalb holte sich das Unternehmen weitere strategische Technologiepartner ins Boot. Gemeinsam mit dem RFID- und NFC-Spezialisten Smart tec, dem Software-Entwickler HK Systems sowie dem Online-Marketing-Unternehmen Rabbit eMarketing ist es gelungen, ein Angebot zu entwickeln, von dessen digitalen Touchpoints Konsument, Gastwirt und Partnermarken der Industrie gleichermaßen profitieren. Restaurants können mit dem Smartglass Abläufe digital steuern, Wartezeiten optimieren oder sogar Selbstbedienungskassen möglich machen, denn alle Artikelinformationen werden vollautomatisch an die Kasse übermittelt. Gastronomen können über den codierten Transponder Informationen darüber abrufen, welche Getränke besonders gefragt sind und nachbestellt werden müssen. So können Bestellprozesse mit viel weniger Aufwand betrieben werden.
Auf Basis der Digitallösung können neue Produkte und Service deutlich schneller realisiert werden. Diese Formel aus Know-how und Innovationgeschwindigkeit schafft kaum einholbare Wettbewerbsvorteile.
Begeisterung und Pioniergeist ermöglichen echte Quantensprünge
In den letzten zwei Jahren wurde Rastal für seine digitale Leistung mit mehreren Innovationspreisen wie dem German Innovation Award, dem Promotional Gift Award und als „Weltmarktführer Future Champions“ ausgezeichnet. Das Traditionsunternehmen hat seine DNA in der Getränkeindustrie als Voraussetzung für die digitale Erweiterung seines Geschäftsmodells verstanden, aber auch erkannt, dass Tradition und Erlerntes nur begrenzt erweiterungsfähig sind. Strategische Partnerschaften überwinden diese Grenzen. Neue Leistungen öffnen wiederum neue Geschäftsfelder und schaffen eine nachhaltige Wettbewerbsdifferenzierung. Für das Gelingen braucht es jedoch gerade in der Start-Phase Personal- und Prozess-Leuchttürme, erklären uns Thomas Nieraad und Carsten Kehrein. Bei der Etablierung der Idee und dem Roll-out müssen dann erfolgskritische, neue Kernprozesse separiert werden. Dabei liegt es in der Hand des Managements, Begeisterung und Pioniergeist zu fördern, die echte Quantensprünge ermöglichen. Das „Machen erstaunt“, halten die Digitalisierungsexperten fest. Das heißt auch: Agil bleiben geht vor übermäßiger Planung. Diese Erfahrung teilt Rastal mit vielen unserer Studien-Teilnehmer und anderen digitalen Vorreitern.
Wenn Sie weitere Tipps von erfolgreichen Mittelständlern und Antworten auf die Fragen der digitalen Transformation nachlesen möchten, können Sie unsere Studie „Digitale Vorreiter im Mittelstand – die Quellen der Digitalen Dividende“ jetzt kostenlos anfragen.
Digitale Pioniere Teil 1: Die PROSOZ Herten GmbH
HERTEN. Für Leslie Czienienga und André Claaßen spielt es keine Rolle, wo sie gerade arbeiten: Die Leiter der Strategieberatung des IT-Unternehmens PROSOZ sind in ganz Deutschland unterwegs, um Kommunen ins digitale Zeitalter zu führen.
Dabei geht es um weit mehr als Hard- und Software: Bereiche vernetzen, Abschied nehmen von händischen Routinen und doppelter Datenerfassung, standardisieren und entlasten durch automatisierte Prozesse, nützliche Daten austauschen – all das setzt Ressourcen frei, um eine neue Digitale Architektur für Kommunen zu schaffen, die bei PROSOZ kurz DA+ heißt. „Wer das Plus der Digitalisierung nutzen will, darf IT nicht mehr nur als Technikthema oder Kostcenter betrachten, sondern als Chance zur Neugestaltung der eigenen Organisation und der Zusammenarbeit mit Bürgern und Unternehmen – nachhaltig und wertstiftend. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt dafür“, sagen Leslie Czienienga und André Claaßen. Ihre Beratung hilft Verwaltungen, die digitale Transformation selbst in die Hand zu nehmen, einen Fahrplan zu haben, die richtigen Prioritäten und Entscheidungen zu treffen. Den Nutzen haben nicht nur die Verwaltung selbst in Form von Handlungssicherheit, sondern auch Bürger und Unternehmen: zum Beispiel durch schnelle und transparente Entscheidungsprozesse oder effi ziente Umsetzung von Anliegen. Die Muttergesellschaft PROSOZ Herten GmbH ist selbst digitaler Pionier: Seit fast 30 Jahren macht PROSOZ den technischen Fortschritt für die Verwaltung nutzbar. Heute ist PROSOZ Marktführer mit über 1.500 Kunden bundesweit.
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